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A. Böckler, Das Zeichen in den Wolken. Die bunte Geschichte eines farbigen Symbols, Christsein Heute 105 (Nr. 1, 4.1.1998), S. 8f.




Das Zeichen in den Wolken
Die bunte Geschichte eines farbigen Symbols

Ein in unserem Jahrhundert in Europa lebender Mensch verbindet mit dem Regenbogen im allgemeinen die wärmsten Gefühle von Frieden und Harmonie. Aber so bunt wie der Regenbogen selbst ist seine fast 3000jährige Geschichte als Symbol.

Altes Testament und Alter Orient

Bibelkundige Leserinnen und Leser werden spontan den Ursprung des Symbols in der Bibel vermuten. Aber die Suche nach einem hebräischen Begriff für das Wort "Regenbogen" wird erfolglos bleiben. Stattdessen findet man in der Noahgeschichte für die gemeinte Himmelserscheinung den ganz allgemeinen Begriff "Bogen". Dieser Begriff ist im Hebräischen so zweideutig wie auch im Deutschen: Man denkt dabei zunächst an einen Kriegsbogen, und wenn die Bibel von Gottes Bogen redet, ist in aller Regel an die Jagd- und Kampfwaffe gedacht (vgl. zB. Hab 3,9; Klgl 2,4; 3,12). In der Bedeutung "Regenbogen" kommt das Wort im Alten Testament nur viermal vor. In der Noahgeschichte heißt der Regenbogen "mein Bogen" (Gen 9,12) oder allgemeiner "der Bogen in den Wolken" (9,14.16). Er ist das Zeichen für Gottes Bund mit Noah – zu einem Bund, d.h. einem gegenseitigen Treuevertrag, gehört in der hebräischen Bibel immer ein Zeichen, dass die beiden Bundespartner ständig an ihren Bund erinnert.

Vermutlich weniger spontan wird man an die Stelle bei Hesekiel denken. In Hes 1 sieht der Prophet einen gewaltigen Thronwagen. Oben auf dem Thron ist ein heller Schein "wie der Anblick des Bogens, der sich an einem Regentag in den Wolken zeigt. … So etwa sah die Herrlichkeit Gottes aus" (1,28).
Wenn man bedenkt, dass die Noah-Geschichte zum Teil während des babylonischen Exils aufgeschrieben worden ist und auch der Prophet Hesekiel in Babylon lebte, legt sich ein Blick in die Kultur Babyloniens nahe. Hier hat der Regenbogen als biblisches Symbol seinen Ursprung. In der bekannten babylonischen Schöpfungsgeschichte Enuma elisch ("Als oben…") wird davon erzählt, dass der Schöpfergott Marduk das Leben auf der Erde ermöglichte, indem er die Urflut, die Göttin Tiamat, tötete. Dieser Kampf geschah mit einem Bogen (Ee IV,35-40). Um das dauerhafte Bestehen der Schöpfung zu gewährleisten, nahm der höchste Gott, der Himmelsgott Anu, den Bogen Marduks und setzte ihn als "Bogenstern" an den Himmel. Im babylonischen Mythos wird der Bogen vergöttlicht: Er darf in der Versammlung der Götter Platz nehmen und wird ewig erfolgreich zu sein (Ee VI,87-94). Der Bogen am Himmel ist in der altorientalischen Vorstellungswelt also ein kriegerisches Symbol für die göttliche Macht, Störungen auf der Erde zu bekämpfen und zu besiegen und so das Leben zu sichern. Die alttestamentlichen Texte sind in der Umwelt dieser Vorstellungen entstanden – sie teilen mit ihnen das Symbol, beziehen seine Deutung aber auf den Gott Israels.


Christentum

Während der hellenistischen Zeit im 1. Jh. v.d.Z. erhielt das Symbol eine neue Bedeutung. In Sirach 43,11f ist der Regenbogen ein Zeichen für die Pracht der göttlichen Schöpfung: "Schau den Regenbogen an, und preise seinen Schöpfer; denn überaus schön und herrlich ist er." In Sirach 59,7 wird die Pracht des Hohenpriesters Simeon mit einem Regenbogen verglichen wird. Der Regenbogen ist hier Zeichen für die göttliche Pracht und Herrlichkeit.

Im Neuen Testament kommt der Regenbogen nur ein einziges Mal in der Johannesoffenbarung vor. In Offb 10,1 erscheint ein Engel mit einem Buch vom Himmel herab, er ist in eine Wolke gehüllt und über seinem Kopf ist ein Regenbogen. Das griechische Wort für diese Erscheinung heißt iris, und hier wird deutlich, dass die antike Vorstellung des Kriegsbogens vergessen ist. Wichtig an der Erscheinung ist die schillernde Farbenpracht, die Himmel und Erde verbindet. Das griechische Wort bezeichnet neben dem Regenbogen auch ganz allgemein einen farbigen Ring (oder Halbring). Off 4,3 ist deshalb kein Beleg für den "Regenbogen", auch wenn dies in einigen deutschen Übersetzungen so steht, denn hier heißt es ausdrücklich, dass es sich um einen grünlich schimmernden Lichtkranz handelt.

In der folgenden christlichen Tradition lebt das Symbol auf Ikonen und in der mittelalterlichen Malerei und Bildhauerei. Auf Altären und auf den Darstellungen des jüngsten Gerichts über dem Eingangsportal einer Kirche wird Christus manchmal als der auf (oder in) einem Regenbogen sitztende Richter dargestellt werden – eine freie Aufnahme der Stellen in der Offenbarung vermischt mit Hesekiel. Der Regenbogen symbolisiert hier die Göttlichkeit Christi. Seit dem 12. Jh. wird auch Maria in einem Regenbogen oder auf einem Regenbogen sitzend dargestellt und dadurch ihre Heiligkeit zum Ausdruck gebracht.

Judentum

Während der Regenbogen in der christlichen Kunst stärker ein apokalyptisches Symbol ist, behielt es im Judentum seinen Bezug zu Noah und Hesekiel, also zu Bund und Gottes Gegenwart. Beide Aspekte floßen im Laufe der Zeit ineinander. Man war sich einerseits dessen bewusst, dass der Regenbogen - nach Hes 1,28 - fast Gott selbst ist. Im Talmud wird gemahnt, den Bogen nicht anzuschauen, weil er die Herrlichkeit Gottes wiederspiegelt (bChag 16a/vgl. a. bBer 59a). Parallel und im Widerspruch dazu wird gelehrt, dass man den Regenbogen als Bundeseichen bewusst ansehen soll. In den jüdischen Gebetbüchern jeglicher Tradition findet man das kurze Gebet "Wer einen Regenbogen sieht, spricht: ‘Gepriesen seist du, Ewiger, unser Gott; du regierst die Welt. Du erinnerst dich an den Bund und bleibst ihm treu. Du stehst zu deinem Wort.‘" (zit. nach Seder ha-Tefillot – Das jüdische Gebetbuch S. 539; vgl. bBer 59a). Der mittelalterliche jüdische Bibelausleger Nachmanides erklärte zu Gen 9,12: Der Bogen in den Wolken symbolisiere, dass Gottes Zorn zu Ende sei, denn er habe wie ein Krieger seinen Bogen gesenkt, um Frieden zu erklären. Es sei hinzugefügt, dass der Regenbogen im Judentum zu den universalsten Symbolen gehört, denn der Noahbund ist der Bund, den Gott - bereits vor Abraham - mit der ganzen Welt schloss.

Hoffnungszeichen und Friedensidylle

Heute bewirkt der Regenbogen in der Regel keine Gedanken an das jüngste Gericht. Spätestens seit der Landschaftsmalerei der Romantik weckt er positive Gefühle von Frieden und Hoffnung auf eine gute Zukunft. Und seit Goethes Farbenlehre gibt es ein Bewusstsein für die echten, natürlichen Farben – der Regenbogen bietet sie uns farbenprächtig dar. Noahs Zeichen wurde in der Neuzeit zum universalen, natürlich-bunten Friedenszeichen über eine beschützte Welt. Die Werbung nutzt die positive Ausstrahlungkraft, die der Regenbogen besitzt. Zur Zeit gehört das Regenbogensymbol zu den gängisten Symbolen, sei es für Ladenketten, Computerfirmen und -verlage, Waschmittel oder anderes. In der Werbung hat der Regenbogen allerdings seinen Symbolcharakter verloren, denn er weckt nur noch (unbewusste) Gefühle, ohne dass man ein tieferen Sinn mit ihm verbindet.
Der Regenbogen der New Age Bewegung ist, soweit ich feststellen konnte, vor diesem Hintergrund zu sehen. Er diente als Logo für die erste Buchreihe der Bewegung "New Age, Modelle für morgen", er wird in der New Age Literatur jedoch nirgends begründet oder gedeutet. Der Bogen selbst und vor allem prismenartige Farbübergänge werden hier vielmehr als stereotypes Kunst- und Gestaltungselement gewählt und die gemeinhin mit dem Regenbogen verbundenen Assoziationen passen zur Aufbruchsstimmung dieser Bewegung, die eine Wende in eine neue Menschlichkeit verkündigt, die von Harmonie und Ganzheit geprägt ist – doch wie gesagt, der Regenbogen wird m.W. nicht bewusst als Symbol reflektiert.

Bundheit und Vielfalt

Heute ist der Regenbogen – vor allem in der Sprache – ein Symbol für Buntheit und Vielfalt, erinnert sei an Begriffe wie Regenbogenpresse, die Rainbow Coalition eines Jesse Jackson oder die Regenbogenbücher als Din-Norm für CD-Roms.

Vor 20 Jahren machte eine Gruppe von Menschen dieses Symbol zu ihrem eigenen, identitätsstiftenden Zeichen. Die Regenbogen-Fahne ist das internationale Symbol der Schwulen- und Lesbenbewegungen. In einer Selbstdarstellung heißt es: "Die Regenbogenfahne erinnert uns daran, dass wir eine vielgestaltige Gemeinschaft sind, die aus sehr verschiedenen Menschen mit unterschiedlichen Einstellungen besteht, auf die wir alle stolz sein sollten" (Internet). Die Regenbogenfahne wurde 1978 in San Francisco entworfen und löste als ein neues, eigenes Symbol das von den Nazionalsozialisten eingeführte rosa Dreieck ab. Man wählte den Regenbogen, denn jede Farbe symbolisiert einen Aspekt des Lebens. 1979 wurde diese Flagge erstmals offiziell bei einer Parade zur Solidarität für den ermordeten Bürgermeister von San Francisco eingesetzt.

Erhaltung der Schöpfung

Der Regenbogen ist heute ein Symbol für Umweltschutz. Dass er zum Symbol für die Umweltorganisation Greenpeace wurde, hat jedoch nichts mit der biblischen Noahgeschichte zu tun, sondern geht auf den Namen des ersten Schiffes der Organisation zurück: 1978 nannte man das Schiff, dass damals bei einem Einsatz zum Schutz der Wale eingesetzt wurde, "Rainbow Warrior" (Regenbogenkrieger), es trägt diesen Namen nach nach einer alten indianischen Weisheit:
"Wenn die Welt krank ist und stirbt, werden sich Menschen erheben wie Regenbogenkrieger". –
Völlig unbeabsichtigt bekommt das Symbol hier seinen kämpferischen Aspekt zurück, den es in der Hebräischen Bibel und im Alten Orient hatte.


assyrisches Rollsiegel: Eine Gottheit bekämpft mit dem Bogenstern eine dämonische Macht.
(1. Jahrtausend v.d.Z.)